TOR

300Jahre Stadtgründung
Ludwigsburg
2009

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Die Kehrseite der Medaille

 

Ludwigsburg ist nicht nur, aber vor allem "Schloss und Barockstadt". Barock wird im allgemeinen und insbesonders von Besuchern des Schlosses mit Luxus, Pracht und Lebensfreude assoziert. Es gibt aber auch eine Kehrseite zum barocken Glanz, nämlich die Bedingungen unter denen diese zweifellos großartige Kulturleistung zustande kam. Wie Andrea Hahn im Vorwort zu "Ludwigsburg – Stationen einer Stadt" schreibt, "haben die Württemberger Ludwigsburg gehasst, hatten sie doch für den Bau der Residenzstadt, die den Allmachtsträumen eines absolutistischen Herrschers entsprangen, zu bluten".

Prinzipiell hat sich bis heute an den Mechanismen der Macht nichts geändert. Wo es Gewinner gibt, sind auch Verlierer. Das gilt für die Belle Epoque vor dem Hintergrund der Industrialisierung im Deutschland des 19. Jahrhunderts ebenso wie heute für den Wohlstand der westlichen Welt, der auf der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte aus den Dritte-Welt-Ländern im globalen Wettbewerb basiert.

 

Wolf im Schafspelz

 

Der Entwurf nutzt in subversiver Weise die Attraktivität barocker Ästhetik, um diese Dichotomie an zwei Ludwigsburger Baudenkmälern zu thematisieren und öffnet damit auch ein Tor von der Vergan-genheit in die Gegenwart.

 

Das Marstalltor wird mit zwei neuen Torflügeln wieder vervollständigt. Der rechte Flügel zeigt in Blattgold gefasste Piktogramme, die Aspekte eines Lebens im Wohlstand zeigen: Essen, Konsum, Ge-rechtigkeit, Kultur, Glück, Bequemlichkeit, schöne Natur. Der linke Flügel zeigt in gleicher Optik die Geiseln der Zivilisation: Vergiftete Umwelt, Krieg, Terrorismus, Krankheit, Hunger, Müll, Ausgren-zung und Überwachung. Will man das Tor passieren, muß man zwischen beiden "Welten" hindurch. Es gibt das eine nicht ohne das andere.

 

Bei Interesse läßt sich das Konzept auf ein oder zwei zusätzliche Tore erweitern: das Tor zum Schloß-garten und der Haupteingang zum Schloß. So ließen sich innerhalb des Skulpturenparcours die beiden Pole Ludwigsburgs zusammenschließen und weitere Aspekte der Intervention würden sichtbar: Steht doch das Marstalltor im Dialog mit den demokratischen Banalitäten unserer Zeit (Wohnanlagen, Kauf-haus) und die Tore am Schlossgarten im Dialog mit absolutistischer Hochkultur.

 

Subversives Gold

 

Der barocke Kultur suchende und erwartende Ludwigsburger Passant wird vom Gold verführt – und vielleicht auch gegen seine ursprünglichen Absichten - mit den Bedingungen und Widersprüchen des Lebens im 21. Jahrhundert konfrontiert, die in verwandter Form auch schon der Hochkultur des 18. Jahrhunderts zugrunde lagen. In der Dichotomie liegt eine weitere Verbindung zu dieser Zeit. Viele barocke Kunstwerke thematisierten in allegorischer Form, wie etwa bei Mars und Venus, die Gegen-satzpaare von Leben und Tod oder Krieg und Frieden. Der Barock liebte auch aufwändige schmie-deeiserneTore. Türen und Tore bilden seit langem einen wichtigen künstlerischen Topos, bekannte Beispiele sind die berühmten Renaissance-Türen am Florentiner Dom oder das Höllentor von Rodin. Das Marstalltor ist eine aktuelle Interpretation dieses Sujets.

 

Wettbewerb

 

Kunstwettbewerb "Außerdem"

der Stadt Ludwigsburg

für temporäre Interventionen

an ausgewählten Standorten

zum Stadtjubiläum 2009.

Nicht realisiert.

 

Embleme

 

Jeweils 20 Stück aus Edelstahl,

4-5mm Dicke, gelasert, poliert und

beidseitig blattvergoldet

 

Marstalltor

 

Torflügel aus verschiedenen Edelstahl-

Profilen, Lackierung dunkelgrün wie

Schlosstore. Flügelgröße 1,60mx3,80m.

Befestigung an den Betonpfosten

des Marstalltores mittels Türangeln.

 

Schlosstor

 

Befestigung der Embleme an den Schlosstoren von der Rückseite der Streben mittels kleiner Klammern.